Buchtipp: Maike Jarsetz‘ Digitale Dunkelkammer

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Seit einigen Wochen schon liegt das Buch auf meinem Schreibtisch und wartet auf seine Besprechung. Neben einigen anderen Verhinderungsgründen liegen die Gründe für die Verzögerungen durchaus auch im Buch selbst:

Das Buch kommt vermeintlich schlank daher, doch weit gefehlt: Die knapp 800 Seiten bringen stolze 2 kg auf die Waage. 2007 Gramm geballtes Wissen, die erarbeitet werden wollen. Auf der Verlagsseite zum Buch schreibt der dpunkt Verlag: „Dieses Buch ist Fotoschule und Bildbearbeitungsfibel in einem.“ – Doch der erste Blick ins Buch offenbart: Nein, das ist keine Fibel, kein Lesebuch. Eine Fotoschule, ein Lehrbuch im besten Sinne ist das Buch allerdings!

 

Für wen ist das Buch?

Das Buch wendet sich unter anderen an Nutzer des Adobe Creativ-Cloud-Foto-Abonnements, also an Fotografen, die sowohl Adobe Lightroom als auch Adobe Photoshop nutzen (beide Programme sind zwar nicht mehr als Kaufversionen erhältlich, sie können aber als einzelne CC-Programme erworben werden. Adobes Preisgestaltung lässt aber vermuten, dass es nur vergleichsweise wenige Lightroom-Abonnenten gibt und die deutlich größere Abonnentenzahl sich für die Photoshop-Lightroom-Kombi entschieden haben dürfte. Das Abo-Modells machte Photoshop für Hobby-Fotografen erschwinglich und ist daher beliebt und viel genutzt. Gleichwohl steht Adobe bei vielen Fotografen gerade wegen des Abo-Modells und der Cloud-Anbindung in Kritik, aber das mag hier nun kein Thema sein.

Manche Fotografen begnügen sich damit, ihre (RAW-)Fotos mit Lightroom zu bearbeiten, und verzichten auf eine Bildbearbeitung mit anderen Programmen (z. B. Photoshop). Sie zählen nicht zur Zielgruppe dieses Buches. Ein umfangreicher Teil des Buches bezieht sich auf Photoshop-Funktionen, die für diese Gruppe unnötiger Ballast sind. Hier empfiehlt sich ein Buch, das sich auf Lightroom konzentriert (z. B. „Lightroom Classic und CC“ ebenfalls von Maike Jarsetz).

Lightroom oder Camera Raw?

Es liegt nahe, dass viele Nutzer des Adobe Foto-Abos – so wie auch ich – zunächst ihre (RAW-)Fotos in Lightroom bearbeiten und (nur) dann zu Photoshop wechseln, wenn dies für die Bildbearbeitung notwendig ist. Das Buch zieht diese Trennung nicht. In vielen Beispielen wird die RAW-Enwicklung anhand von Adobe Camera Raw und nicht anhand von Lightroom erläutert. Dies ist funktional unerheblich, denn Camera Raw ist auch bei Lightroom unter Haube der „Motor der Bildentwicklung“. So funktioniert das Buch auch ohne Lightroom.

Die Aufteilung des Buches

Das Buch ist in sechs Kapitel aufgeteilt, von denen sich die ersten beiden sowie das letzte mehr mit grundsätzlichen Dingen und dem Workflow der Bildbearbeitung befassen. Kapitel drei legt den Schwerpunkt auf die Bildentwicklung, also auf die RAW-Entwicklung mit Camera Raw bzw. Lightroom. Die nachfolgenden Kapitel vier und fünf machen den Löwenanteil des Buches aus und behandeln die Grundlagentechniken von Photoshop sowie fortgeschrittene Photoshop- und Bildbearbeitungstechniken.

Workshops mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen

Zu Beginn der Kapitel gibt es ausführliche Einleitungen zum jeweiligen Thema, denen dann sehr viele Workshops folgen. Das sind Schritt-für-Schritt-Anleitungen für verschiedene Bildbearbeitungsaufgaben. Hier werden die Bilder jeweils mit den Parameter-Panels abgebildet. Dabei wird in den Erläuterungen über farbige Buchstaben Bezug zu den betreffenden Parameter bzw. Einstellungen genommen. So kann der Leser die einzelnen Bearbeitungen sehr gut nachvollziehen

(Für wen) Lohnt sich das Buch?

Das Buch ist sehr gut gemacht, die Workshops sind gut verständlich. Das Buch lässt sich nach meinem Empfinden aber eher nicht als Zwischendurch- oder Hintergrundlektüre empfehlen. Es ist vielmehr ein Arbeitsbuch. Die Anleitungen sind wie oben beschrieben gut nachvollziehbar, aber sie müssen eben auch nachvollzogen werden, damit sich die Bearbeitungstechniken einprägen. Hier liegt auch der Vorteil eines solchen Buches gegenüber den (unzähligen) Video-Anleitungen, die sich als DVD oder auch auf YouTube finden. Die Bearbeitungsschritte können einzeln nacheinander durchgeübt werden – ohne das Video permanent stoppen und neu starten zu müssen. Auch das aufwendige Zurückspringen / Wiederholen braucht‘s beim Buch nicht.

Wer sich also in das Thema Digitale Dunkelkammer, also Bildbearbeitung mit Photoshop (und Lightroom) reinfuchsen will, macht mit diesem Buch nichts falsch.

Über die Autorin

Maike Jarsetz ist Fotografin, Fototrainerin und Buchautorin und lebt bei Hamburg. Sie hat mehrere Bücher, Trainingsvideos sowie Vorträge zum Thema Bildbearbeitung mit Schwerpunkt auf Photoshop und Lightroom veröffentlicht. Sie hebt sich mit ihrer fundierten und sachlichen Darstellung hervor und kann im genannten Bereich sicherlich als DIE Fototrainerin im deutschsprachigen Raum angesehen werden.

[icon name=“link“] www.jarsetz.com


Das Buch

Maike Jarsetz
Maike Jarsetz‘ digitale Dunkelkammer
Von der Aufnahme zum Bild – Bildbearbeitung mit Photoshop und Lightroom

gedruckte Ausgabe 49,90 EUR
e-Book 39,99 EUR
Seitenanzahl 800
Verlag dpunkt.verlag
ISBN Print: 978-3-86490-316-8
ISBN PDF: 978-3-96088-932-8
ISBN ePub: 978-3-96088-933-5
ISBN Mobi: 978-3-96088-934-2

Das Buch beim Verlag


Anmerkungen zum Buch von Bernd Susenburger

Ich möchte ergänzend zu dem, was Reiner über dieses Buch treffend und umfassend geschrieben hat, vielleicht noch folgendes anmerken, und zwar zu der guten Frage, für wen sich dieses Buch ‚lohnt‘:

Die Antwort auf die Frage, ob wir dieses Buch brauchen oder nicht, stellt sich für jeden durchaus anders, je nach Grundkenntnissen und Ansprüchen bzgl. seinen individuellen Möglichkeiten, Fotos zu bearbeiten.

Seinen ganz individuellen Workflow bereits beim Fotografieren, also in der Kamera, beginnen zu lassen, ist uns ja geläufig. Je nach Anspruch stellen wir beispielsweise vorab das Dateiformat ein, auf das wir belichten wollen: JPEG oder RAW oder auch beides. Dem einen genügt JPEG, dem anderen eher nicht. Und obwohl für mich RAW aus bestimmten Erwägungen heraus erste Wahl ist, bin ich bei anderen Kameraeinstellungen weniger wählerisch. So belichte ich seit nunmehr 50 Jahren fast ausschließlich mit ‚A‘, also Zeitautomatik, seltener mit ‚S‘ oder ‚P‘. Und von der Möglichkeit, das jeweils passende Messfeld für die jeweilige Aufnahmesituation auszuwählen, mache ich selten Gebrauch. Diese ‚Faule-Sau-Mentalität‘ hat aber nicht nur etwas mit Bequemlichkeit zu tun, sondern auch mit Erfahrungen, die jeder von uns bestimmt schon einmal gemacht hat. Ich möchte das an dem folgenden Beispiel einmal verdeutlichen:

Unter den Bildern auf meiner Mitgliederseite ist ein SW-Foto, das ein Mädchen in einem Kunstmuseum zeigt. Damals, im Dezember 2017 im Kunsthaus in Zürich, waren wir mit unserem Museumsbesuch fast ‚durch‘, als mich Toshie aufgeregt zu sich winkte. Sie deutete auf jenes Mädchen, dass konzentriert per Kopfhörer den Informationen über ein Gemälde lauschte, vor dem sie stand. Ich konnte gerade eben noch ein einziges Foto machen, bevor nach 5 Sekunden bereits die Eltern des Mädchens um die Ecke bogen. Überflüssig zu erwähnen, wie die Aktion abgelaufen wäre, hätte ich erst noch überlegen müssen, welche Kameraeinstellungen jetzt wohl sinnvollst wären – weniger ist manchmal eben mehr!

Im Prinzip gilt das Gesagte auch für das Buch von Maike Jarsetz, das in der Tat vielfältigste Anregungen und Möglichkeiten anbietet, wie man seine Fotos noch besser, noch ausdrucksstärker machen kann. Aber wer bereits auf eine kleine, aber feine Auswahl an ganz persönlichen Tools, quasi als standardisierte Bearbeitungsroutine, für seine Fotos zurückgreift, und damit absolut glücklich ist, braucht dieses Buch wohl kaum – es sei denn, er findet dort die eine oder andere Anwendung, die er gerne zukünftig in die Bearbeitungsroutine mit übernehmen möchte. Wer sich aber bei seinen schönsten Lieblingsmotiven gerne mal ein ‚Mehr‘ an Bearbeitungsqualität gönnen möchte, und mit Photoshop CC einigermaßen vertraut ist, der wird in diesem Buch unbedingt fündig.

Mir jedenfalls geht es so wie den meisten Fotografen, die mit ihrer Kamera nicht ihren Lebensunterhalt verdienen müssen: Ich möchte in erster Linie fotografieren, und mich ansonsten möglichst wenig mit Kameraeinstellungen und der ganzen Ebenentechnik in Photoshop befassen müssen. Aber dann gibt es wiederum gewisse Fotos, die mich derart begeistern, dass ich dann doch etwas mehr an Aufwand bei der Nachbearbeitung investieren möchte. Denn wie sagte Ansel Adams einmal: “Zwischen einem akzeptablen und einem herausragenden Foto besteht oftmals nur ein kleiner Unterschied.“ Es liegt an uns, zu entscheiden, wie viel Mühen uns dieser gewisse Unterschied wert ist.

Photoshop ist ein tolles Programm, meine Kamera ist eine tolle Kamera, aber ich muss gestehen, dass ich bei beidem nur einen Bruchteil der faszinierenden Möglichkeiten wirklich nutze. Das ist nun mal so, aber damit kann ich gut leben.

Daher fällt mein Fazit zu diesem Buch gewissermaßen ambivalent aus:

Nein, ich brauche es für meinen ganz normalen fotografischen Alltag nicht, aber die besonderen bildnerischen Momente herauszuarbeiten, oder auch gerne sein ganz persönliches fotografisches Niveau auf ein neues Level hieven zu können, ist eine Stärke dieses Buches. Und wie Reiner bereits anmerkte, kann da jeder sich genau das aus dem Buch herauspicken, was ihm bei der Herausforderung, ein bestimmtes Foto nach seinen Vorstellungen zu entwickeln, hilfreich zur Seite stehen kann.

Aber das wichtigste beim Fotografieren ist und bleibt nun mal das Fotografieren selbst. Denn was nützen mir am Ende die tollsten Bearbeitungstools, wenn mein Bild verwackelt ist? Photoshop und Co. bringen uns nicht wirklich weiter, das tun nur die Grundlagen für ein gutes Bild: Licht, Komposition, ein geübtes Auge, ein wacher Blick für jene Motive, die erst durch eure Kamera interessant zu werden versprechen, und letztendlich eure Leidenschaft für die Fotografie. Ein Lächeln erzeugt jedenfalls mehr ‚Schönheit‘ als jede Menge Schminke.

Herzlichen Dank an Bernd Susenburger für seine ausführlichen Anmerkungen!

Hinweis

Das Buch wurde uns vom dpunkt.Verlag kostenfrei als Rezensionsexemplar zur Verfügung getellt. Diese Besprechung gibt alleine meine Sicht wieder. Der Verlag hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt dieser Besprechung genommen.